Bilder wie von Geisterhand

Forschung der Arbeitsgruppe Experimentelle Festkörper-Quantenoptik

03.11.2023 von

Die Quantenphysik ermöglicht eine neue Form der Bildgebung, die die Krebsdiagnostik präziser machen könnte. Physiker aus Darmstadt, Jena und Barcelona haben die Methode praxistauglicher gemacht.

Kann man Bilder von Objekten aufnehmen mit Licht, welches das Objekt gar nicht berührt? Das wäre zum Beispiel in der Tumordiagnostik sehr nützlich. Dort will man Gewebe mit Infrarotlicht aufnehmen, um gesundes von Tumorgewebe zu unterscheiden. Das Problem ist aber, dass Bildsensoren für Infrarotlicht nicht die gleiche Bildqualität liefern, wie solche für sichtbares Licht. Was aber, wenn sich die Bildinformation von Infrarotlicht auf sichtbares Licht übertragen ließe, bevor dieses auf einen optischen Bildsensor fällt? Dann könnte man mit Infrarotlicht genauso gut Bilder aufnehmen wie mit sichtbarem. Was wie ein Zaubertrick klingt, lässt sich mit Hilfe der Quantenphysik bewerkstelligen. Doch diese „Quantenbildgebung“ wird von Umgebungslicht leicht gestört.

Was wie ein Zaubertrick klingt, lässt sich mit Hilfe der Quantenphysik bewerkstelligen.

Nun haben Physiker aus Darmstadt, Jena und Barcelona eine Variante der Quantenbildgebung so perfektioniert, dass es durch Umgebungslicht kaum noch beeinträchtigt wird. Von der Methode des fünfköpfigen Teams um den Darmstädter Physikprofessor Markus Gräfe könnte bald auch die Krebsdiagnostik profitieren. Beteiligt daran waren neben der Technischen Universität Darmstadt auch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena sowie das Barcelona Institute of Science and Technology.

Ein spezieller, nichtlinearer Kristall

Basis für das Experiment der Wissenschaftler ist ein spezieller, so genannter nichtlinearer Kristall. Bestrahlt man diesen mit Laserlicht, setzt er Paare von Lichtteilchen (Photonen) frei. Der eine Partner, auch Idlerphoton genannt, wird jeweils zum Objekt gelenkt, das abgebildet werden soll, der andere, das „Signalphoton“, zu einem Bildsensor wie in einer Digitalkamera.

Nun würde man erwarten, dass das Bild nur Rauschen zeigt, da die Signalphotonen das Objekt gar nicht berührt haben. Doch die Physiker konstruierten die ganze Anordnung in einem interferometrischen Aufbau so, dass sie die Gesetze der Quantenphysik ausbeuten können. Photonen gehorchen diesen Regeln. Sie sorgen dafür, dass zwischen dem Signal- und dem Idlerphoton jedes Paares eine enge Verbindung besteht, unabhängig von ihrer räumlichen Distanz. Dies ermöglicht den Informationsfluss vom Idler- zum Signalphoton. Dabei fließt Information über den Ort, an dem das Idlerphoton das Objekt trifft, sowie über das dortige Reflexionsvermögen des Objekts. Das Signalphoton bringt alles auf den Bildsensor: Es entsteht ein Bild des Objekts.

Doch das Team entdeckte noch mehr. Normalerweise müssen derartige Quantenexperimente in einer isolierten Umgebung stattfinden. Insbesondere stört Umgebungslicht bei der Quantenbildgebung. Die Forscher bewiesen, dass ihr Verfahren robust gegen ein hohes Maß an solchem optischen Rauschen ist und durch folgende Methode entfernt werden kann. Das eigentliche Signal wird in der Helligkeit variiert. Das Rauschen selbst ändert sich zeitlich nur sehr schwach, sodass beides voneinander getrennt werden kann.

Veröffentlichung

Jorge Fuenzalida, Marta Gilaberte Basset, Sebastian Töpfer, Juan P. Torres, Markus Gräfe: Experimental quantum imaging distillation with undetected light. In: Science Advances

Experimente beweisen die Vorhersage

Im Experiment bewiesen die Physiker ihre Vorhersage, indem sie verrauschtes Licht zusätzlich zum Quantenbild auf den Bildsensor strahlten. Anschließend gelang es, das Rauschen wieder zu entfernen, wobei das zuvor kaum erkennbare Bild wieder klar zu sehen war. Das funktionierte mit Störlicht, das bis zu 250-Mal intensiver war, als das Licht, welches das Bild erzeugt. Gleichzeitig ließ die Qualität des Bildes umso mehr nach, je intensiver das zu entfernende Rauschen war. „Theoretisch sollte sogar 1000-Mal intensiveres Störlicht noch zu entfernen sein“, sagt Markus Gräfe, der vor einem Jahr aus Jena nach Darmstadt gekommen ist. „Das haben Berechnungen ergeben.“

In der neuen Methode sieht Gräfe vor allem ein „Werkzeug für die Biomedizin“, denn dort wird oft Infrarotlicht zur Probenanalyse benutzt. Wenn die eigentliche Abbildung jedoch mit sichtbaren Signalphotonen erfolgt, gelangt mehr Information in die Bilder, so die Hoffnung. Quantenbildgebung dafür zu nutzen, ist keine neue Idee. „Doch unser neues Verfahren braucht keine aufwändige Abschirmung“, betont Gräfe. Es könne einfach in einem alltäglichen Labor genutzt werden. Genau daran arbeitet sein Darmstädter Team zusammen mit anderen Verbundpartnern nun im Projekt QUANCER des Bundesforschungsministeriums. Dort soll ein Verfahren zur Bildgebung von Tumorgewebe im klinischen Umfeld entwickelt werden. Gräfe ist optimistisch, dass das in den kommenden fünf Jahren gelingt.