Forschen für nukleare Rüstungskontrolle
TU Darmstadt und PRIF richten Professur für naturwissenschaftliche Friedensforschung ein
15.05.2024
Ab Juni 2024 übernimmt Professor Malte Göttsche die neu geschaffene Professur für naturwissenschaftliche Friedensforschung. Diese wird gemeinsam von der TU Darmstadt und dem PRIF – Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung im Rahmen des Verbundprojekts „Cluster für Natur- und Technikwissenschaftliche Rüstungskontrollforschung“ (CNTR) eingerichtet und zunächst vom Auswärtigen Amt finanziert. Mit der Berufung von Malte Göttsche tragen PRIF und TU Darmstadt zur Stärkung der naturwissenschaftlich-technischen Friedensforschung am Standort Hessen bei.
Nukleare Rüstungskontrolle, Verifikation und Abrüstung erfordern physikalische Expertise, veränderte politische Rahmenbedingungen und neue Technologien bringen neue Herausforderungen mit sich. Gleichzeitig bieten technologische Entwicklungen große Potentiale, um die Rüstungskontrolle zu verbessern, beispielsweise durch neue Detektorsysteme. Um Grundlagenforschung und Politikberatung in diesem Bereich zu stärken, wird zum einen die Professur für naturwissenschaftliche Friedensforschung am Fachbereich Physik der Technischen Universität Darmstadt eingerichtet und mit Malte Göttsche besetzt. Gleichzeitig entsteht am die Forschungsgruppe „Science for Nuclear Diplomacy“, die innerhalb des PRIF angesiedelt und von Göttsche geleitet wird. Damit werden interdisziplinäre Forschung sowie die Zusammenarbeit der TU mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen ausgebaut und gleichzeitig Karrieremöglichkeiten für Early Career Researchers geschaffen. CNTR-Verbunds
Stärkung der naturwissenschaftlichen Konflikt- und Friedensforschung
„Mit Einrichtung der Professur für naturwissenschaftliche Friedensforschung setzen wir beispielhaft eine Empfehlung des Wissenschaftsrats aus 2019 um, die naturwissenschaftliche Konflikt- und Friedensforschung in Deutschland zu stärken“, so TU-Präsidentin Professorin Tanja Brühl. „Wir knüpfen damit an eine Tradition der interdisziplinären Friedens- und Konfliktforschung in der Rhein-Main-Region an. Ich bin überzeugt, dass Malte Göttsche mit seiner innovativen Forschung dieses Themenfeld mit Blick auf die nukleare Rüstungskontrolle ausgezeichnet weiterentwickeln wird. Ich freue mich, dass wir die Kooperation mit dem PRIF – Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung als außeruniversitärem Partner unserer Universität vertiefen und stärken können. Ein herzlicher Dank an alle Kolleg:innen, die die Einrichtung dieser Professur ermöglicht und begleitet haben!“
„Wir freuen uns außerordentlich, dass wir mit Malte Göttsche einen ausgewiesenen Experten gewinnen konnten“, so , stellvertretender Direktor des Frankfurter Instituts und Sprecher des CNTR-Projekts. „Mit der gemeinsamen Berufung verstärken wir die Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt, die für unsere interdisziplinäre Forschung essenziell ist.“ Die neue Professur stärkt auch den im Rahmen der Professor Christopher Daase gemeinsam mit der Goethe-Universität Frankfurt angebotenen Master-Studiengang Internationale Studien / Friedens- und Konfliktforschung. strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten
Mit der Professur und der Forschungsgruppe entsteht ein neues Kompetenzzentrum, das technologische Expertise in den Dialog mit Politik und Gesellschaft einbringt. „Physikalische Forschung kann und muss in der Rüstungskontrolle einen wichtigen Beitrag leisten“, so Professor Malte Göttsche. „Ich freue mich dazu beizutragen, die naturwissenschaftlich-technische Friedensforschung in Hessen auszubauen.“
Zur Person
hat noch bis Ende Mai die Juniorprofessor für nukleare Verifikation und Abrüstung an der RWTH Aachen inne. Dort leitet er das BMBF-geförderte Verbundprojekt VeSPoTec, das interdisziplinäre Forschung zu Verifikation und nuklearer Rüstungskontrolle durchführt. Arbeiten an diesem Projekt sollen auch in Darmstadt und Frankfurt fortgesetzt werden. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Princeton University. Mit seiner Forschung zur nuklearen Archäologie – in Aachen gefördert durch ein Freigeist Fellowship der VolkswagenStiftung – hat er einen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung von Verifikationsverfahren geleistet. Mit Hilfe dieses innovativen Ansatzes kann überprüft werden, ob ein Staat tatsächlich seine gesamten Bestände an kernwaffenfähigem Material deklariert hat. Malte Göttsche wurde 2022 mit dem Nuclear-Free Future Award ausgezeichnet. Er nahm an den Lindau Nobel Laureate Meetings 2019 teil und war Mitglied des Jungen Kollegs der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Professor Dr. Malte Göttsche
PRIF/bjb
Antrittsvorlesung am 28. Juni 2024 von 14:00 bis 15:30
ZKS-Uhrturmhörsaalm S2|08, Raum 171
Hochschulstraße 4, 64289 Darmstadt
Mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist die Bedrohung durch den Einsatz von Atomwaffen wieder in die öffentliche Debatte gerückt. Heute gibt es weltweit über 12.000 Atomwaffen und große Bestände an spaltbarem Material, die die Herstellung vieler weiterer Waffen ermöglichen. Obwohl der Krieg und das politische Klima in absehbarer Zeit keine Abrüstungsinitiativen zulassen werden, hat die öffentliche Debatte ein neues Gefühl der Dringlichkeit ausgelöst.
Physiker spielen hier eine wichtige Rolle: Um internationale Vereinbarungen über die Reduzierung von Sprengköpfen und spaltbarem Material zu ermöglichen, sind strenge Überprüfungsprotokolle erforderlich, um die Einhaltung zu überwachen. Es werden neue Konzepte und Techniken benötigt, die zur Verfügung stehen müssen, wenn sich längerfristig ein politisches Zeitfenster öffnet. Da ihre Entwicklung viele Jahre in Anspruch nehmen kann, ist die Fortsetzung dieser Arbeit auch heute noch von entscheidender Bedeutung.
In seiner Antrittsvorlesung am Fachbereich Physik wird Professor Göttsche Elemente eines möglichen Verifikationsinstrumentariums vorstellen. Dazu gehören Strahlungsdetektionstechniken zur Feststellung der Echtheit von zu demontierenden nuklearen Sprengköpfen. Darüber hinaus wird die Nukleararchäologie als ein Instrumentarium zur Schätzung der Bestände an waffenfähigen Spaltstoffen vorgestellt, das auf der Rekonstruktion ihrer früheren Produktion mit Hilfe forensischer Messungen und computergestützter Wissenschaft beruht.